Die Lehrkräfte müssen bereits am Montag in die Schule, die Kinder und Jugendlichen einen Tag darauf. Und spätestens ab Mittwoch geht dann der „ganz normale Wahnsinn“ des Schulalltags wieder los: frühes Aufstehen, Mathe üben und Vokabeln lernen, Schulaufgaben und Elternsprechtage... das zehrt an den Nerven. Volle Busse und Züge, lärmende und drängelnde Schüler und Schülerinnen morgens und mittags, Staus am Morgen nerven aber auch die, die eigentlich mit der Schule längst abgeschlossen haben. Muss das sein? Ginge es nicht auch ganz gut ohne Schule?!
In den Ferien war ich wieder einmal zu Besuch in Bolivien; vor einigen Jahren haben wir für längere Zeit dort gearbeitet und gelebt, und direkt in unserer Nachbarschaft befand sich eine große Schule. In zwei Schichten wurde dort unterrichtet, einige Klassen morgens, andere nachmittags. Die meisten Kinder liefen an unserem Haus vorbei zur Schule, viele mit einem kleinen Höckerchen unter dem Arm; Schulmöbel waren nicht vorhanden. Manchmal klopften Kinder auf dem Heimweg bei uns an der Tür; meist wollten sie einfach nach einem langen Schultag einen Becher Wasser zum Trinken, denn auch am fließenden Wasser hatte man gespart. Und da auch für die Gehälter der Lehrer oft kein Geld da war, streikten diese dann einfach. Drei Wochen ohne Schule – auf den ersten Blick paradiesisch, aber bei näherem Hinsehen eine Katastrophe.
Mich haben diese Beobachtungen in Bolivien dankbar gemacht für alle Lern-Chancen, die ich hatte und die Kinder hier in Deutschland haben. Mit allen Einschränkungen und allem, was man sicher noch besser machen könnte. Aber es ist ein Privileg, zur Schule gehen zu dürfen oder die Kinder zur Schule schicken zu können, lesen und schreiben zu lernen, fremden Sprachen zu begegnen und über den eigenen Tellerand hinauszuschauen, der eigenen Neugier nachzugehen und Fremdes respektieren zu lernen.
Den vielen Schülerinnen und Schüler, die von der kommenden Woche an wieder die Straßen prägen und die Busse füllen werden, liegt dieser Gedanke wohl meistens eher fern. Aber ich nehme mir vor, ihnen einen guten Schulanfang zu wünschen und überhaupt eine gute Zeit in der Schule. Wenn ich ihnen begegne, gebe ich ihnen in Gedanken einen Segenswunsch mit: „Sei du nur mutig und stark! Fürchte dich nicht und habe keine Angst; denn Gott ist mit dir bei allem, was du unternimmst.“ (Jos 1,9) Gott geht alle Wege mit – sogar in die Schule.
Dr. Ursula Silber, Bildungsreferentin im Tagungszentrum Schmerlenbach