Aber dann vertraute sie der Auskunft der Autoritäten, die ihr sagten: Kinder verändern sich nun mal sehr schnell in den ersten Tagen nach der Geburt. Sie fragte nicht weiter nach. Erst Monate später wurde die Verwechslung aufgedeckt. Jetzt leidet sie darunter, in den ersten Monaten nicht für ihr Kind dagewesen zu sein. "Wäre ich doch damals entschiedener meinen Zweifel nachgegangen", sagt sie heute.
Wenn die Stimme des Herzens sich rührt, ist Zweifeln angebracht - auch dann, wenn man es mit sogenannten Autoritäten zu tun hat. Man darf ruhig kritisch Nachfragen bei dem, was einem die Politiker, Ärzte, Juristen, Kirchenvertreter oder die Medien so alles servieren. Denn immer haben wir es mit Menschen zu tun, die sich irren und verirren können, selbst dann, wenn sie es gut mit uns meinen. Allerdings: wer nur zweifelt, der verzweifelt bald. Ein Grundvertrauen, das sich aus der Gewissheit speist, dass man es gut mit mir meint, ist wie ein Boden, der trägt. Grundvertrauen lernen wir über Menschen: im Kleinkind wächst es durch die Beziehung zu seinen Eltern, im Liebenden durch die Beziehung zum Partner. Wenn das Vertrauen genügend Nahrung bekommt, kann es wachsen und groß werden, sogar größer als das konkrete Gegenüber. So wird es zu einer Kraft, die auch dann noch tragen kann, wenn mich der andere enttäuscht. Das ist wichtig, denn Enttäuschungen sind unvermeidbar Teil menschlicher Beziehungen.
Die Religionspädagogik sagt, dass so ein Grundvertrauen auch die Voraussetzung ist, den Glauben an einen liebenden Gott entwickeln zu können. Wer ihn als Halt für sein Leben gefunden hat, wer ihn in seinem Herzen trägt, der kann auch damit umgehen, wenn er mal wieder am Reden und Handeln eines Menschen zweifelt. Apostel Paulus schreibt im Brief an die Christen in Thessalonich über den Umgang mit denen, die scheinbar geisterfüllt und damit mit der Autorität Gottes reden: "Prüft alles und behaltet das Gute". Und er nennt auch gleich das Prüfkriterium: "Meidet das Böse in jeder Gestalt", also alles, was wegführt von Liebe, Gerechtigkeit, Wahrheit, Selbstbestimmung, was wegführt von Gott. Wer geschult ist, auf die Stimme seines Herzens zu hören, wird eine Antwort auf seine Zweifel finden. Der kann dann auch Widersprechen, ohne gleich alles Vertrauen über Bord schmeißen zu müssen.
Das wünsche ich mir auch für die katholischen Kirche, die in diesen Tagen zu recht bezweifelt und geprüft wird, nach dem viel Vertrauen verloren gegangen ist. Im Grunde will sie das Gute, wenn sie der Stimme Gottes vertraut dann wird sie auch das Vertrauen der Menschen zurück gewinnen.
Burkard Vogt, Gemeindereferent in Aschaffenburg