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Kirche & Demokratie

Pastoralkonferenz diskutiert über Stellungnahme zur Landtagswahl

Über 50 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Dekanats Aschaffenburg, welches die Kirchengemeinden in Stadt und Landkreis umfasst, und einige ehrenamtlich Engagierte trafen sich am 27.09.2023 zur ersten Pastoralkonferenz seit Einführung der neuen Strukturen.

Das Treffen begann mit einem Gedenkgottesdienst für die Verstorbenen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter des Dekanats.
Anschließend fand man sich zu Begegnung und Austausch im Saal des Martinushauses zusammen.

Im Rahmen dieses Treffens wurde eine von Pfarrer Nikolaus Hegler eingebrachte Stellungnahme zu den anstehenden Landtagswahlen diskutiert. In dem Text werden die aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft und die Sorgen der Menschen aufgegriffen und vor einfachen Antworten im Stile von „Ich zuerst“ gewarnt. Den Unterstützern des Schreibens geht es darum, diesem Trend aus christlicher Blickwinkel ein anderes Prinzip voranzustellen. Es heißt darin: „Im Sinne des Evangeliums fängt jede Antwort auf all die Probleme immer mit einer Aussage an: Menschlichkeit zuerst!“. Damit, so machte die Diskussion deutlich, solle keine Wahlempfehlung abgegeben werden. Vielmehr sei der Text ein Hilfsmittel, mit dem die Lösungsangebote der verschiedenen Parteien bewertet werden können. Den rund 30 Unterzeichnern aus der Pastoralkonferenz hat sich inzwischen auch der Diözesanvorstand der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) Würzburg angeschlossen.

Dokumentation: Der Text der Erklärung


M e n s c h l i c h k e i t   z u e r s t !
Stellungnahme von Mitgliedern der Pastoralkonferenz
des Dekanats Aschaffenburg - Mittwoch, 27.09.2023

Als haupt- und ehrenamtliche Mitglieder katholische Kirche in Stadt und Landkreis Aschaffenburg stellen wir fest, dass die öffentliche Debatte im Vorfeld der Landtagswahl aufgeladen, ja gereizt ist. Kandidatinnen und Kandidaten unterschiedlichster Richtungen berufen sich auf „christliche Orientierungen“. Dies ist Anlass genug, um sich als Kirche orientierend einzubringen. Als Menschen brauchen wir immer wieder die Auseinandersetzung um ethische Fragen, um die Zeichen der Zeit zu deuten.

Dazu stellen wir fest, dass es viele Anlässe für sehr konkrete Sorgen gibt. Hier sei nur eine Auswahl überblickartig benannt:

Die wirtschaftliche Entwicklung ist unsicher und die Angst vor Arbeitslosigkeit greift um sich. Die tatsächlichen Arbeitssituationen schwanken zwischen Stressbelastung und Fachkräftemangel auf der einen sowie Auftragsflaute oder Werksschließungen auf der anderen Seite. Viele fragen sich: Wie geht es für mich weiter?

Die Unterstützung für Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind brüchig. Der Fachkräftemangel in Kitas, Schulen und Pflegeheimen führt zu eingeschränkten Angeboten oder plötzlichen Ausfällen. Die Inflation beschneidet die Möglichkeiten oder treibt gerade Alleinerziehende und alleinstehende Alte in existentielle Nöte. Viele fragen sich: Wie kann ich meinen Lieben noch gerecht werden?

Der erste Angriffskrieg eines Staates gegen einen anderen Staat in Europa seit dem 2. Weltkrieg erschüttert den Glauben an die Zukunft. Nach den Schrecken, die Hitler-Deutschland über Europa und die Welt gebracht hat, schien es unmöglich, dass dies mitten in Europa noch einmal passieren kann. Nun sterben Menschen wieder auf bestialische Weise und es steigern sich Zukunftsangst, Militärausgaben und Propaganda. Viele Menschen fragen sich: Wo führt das noch hin?

Der menschengemachte Klimawandel wird real und stellt unsere gesamte Lebensweise in Frage. Einerseits sind es die Belastungen durch hohe Temperaturen, Trockenheit und Unwetter. Auf der anderen Seite sind es die notwendigen neuen Regeln im Umgang mit Energie, Verkehr, Wohnen, Ernährung und Wirtschaften. Zusammengenommen wissen wir längst was zu tun ist und doch fällt es vielen schwer, Gewohnheiten zu ändern. Die Meisten fragen sich: Was muss sein, was geht zu weit?

Die scheinbar unaufhörliche Migration von Menschen nach Deutschland löst auch Ängste aus. So viele Menschen sind auf Grund der benannten Entwicklungen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung oder vor Hunger und Zukunftsangst. Deutschland braucht wegen dem Fachkräftemangel viel Zuwanderung, zugleich ist die Integration in Gemeinwesen, Kitas, Schulen und Arbeitsmarkt immer eine langjährige Aufgabe. Hier gibt es viele Erfolge und viel Engagement aber auch viele Probleme. Selbst bemühte Bürgerinnen und Bürger fragen sich: Wie sollen wir das schaffen?

Im Sinne des Evangeliums fängt jede Antwort auf all die Probleme immer mit einer Aussage an: Menschlichkeit zuerst! – Davon ausgehend müssen Politik und Zivilgesellschaft immer neue Anstrengungen unternehmen, um die konkreten Probleme zu lösen:

Wir wollen unsere Wirtschaft klimagerecht umbauen und dabei allen Menschen einen Platz in zukunftsträchtigen Arbeitsfeldern gewährleisten.

Wir wollen den Kriegsaggressoren entgegentreten und dabei konkrete Solidarität mit Menschen auf der Flucht leben.

Wir wollen Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt als Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten respektieren und dabei die kleinräumige Integration in Ortschaften, Kitas und Schulen mehr beachten.

Wir wollen darüber hinaus aber auch erkennen, dass uns das Leben heute in eine nicht zu leugnende Veränderungsaufgabe stellt und uns viel Solidarität abverlangt.

Diese Herausforderung können wir nicht einfach mit einem platten Spruch wegreden oder mit einem schnell gemachten Kreuz auf dem Wahlzettel abwählen. „Ich zuerst“, „Bayern zuerst“, „Deutschland zuerst“…
Diese Parolen führen menschlich, wirtschaftlich und europäisch ins Verderben.

Menschlichkeit zuerst!

Als Christen nehmen wir diese Aufgabe gemeinsam an und gestalten sie im Glauben daran, dass Gottes guter Geist im solidarischen Bemühen aller Menschen dieser Welt - in die Welt kommt.

Aschaffenburg, 27. September 2023

Nikolaus Hegler, Pfarrer; Dr. Ursula Silber, Rektorin des Martinushaus Aschaffenburg; Burkard Vogt, Gemeindereferent; Walter Lang, Pastoralreferent, Joachim Schmitt, KAB Sekretär Martinushaus Aschaffenburg; Alexander Fuchs, Diakon; Richard Rosenberger, Pastoraler Mitarbeiter; Georg Klar, Pfarrer; José-Pierre Mambu Mbuku, Diakon; Erich Sauer, Pfarrer; Markus Krauth, Pfarrer; Roland Gerhart, Leiter Dekanatsbüro Aschaffenburg; Lukas Greubel, Pastoralreferent; Matthieu Ilunga, Mitarbeitender Priester; Georg Rausch, Diakon; Peter Negrau, Diakon; Bernhard Ewald, Diakon; Eva Meder-Thünemann, Gemeindereferentin; Peter Michaeli, Pastoralreferent; Christiane Knobling, Pastoralreferentin; Thorsten Seipel, Pastoralreferent; Stephan Schwab, Priester; Manfred Hock, Priester; Dieter Heßler, Diakon; Martin Fleckenstein, Ehrenamtlicher; Christian Sauer, Ehrenamtlicher; Marion Egenberger, Pastoralreferentin; Marcus Schuck, Pastoralreferent; Ludwig Stauner, Diakon; Andreas Bergmann, Pastoralreferent; Stefanie Thoma, Pädagogische Mitarbeiterin; Michael Staskiewitz, Diakon; Isabell Staps, Pastoralassistentin;

sowie Diakon Peter Hartlaub (Diözesanpräses), Alexander Kolbow (geschäftsführender Diözesansekretär), Theresia Erdmann (Diözesanvorsitzende), Robert Reisert (Diözesanvorsitzender) vom KAB-Diözesanvorstand Würzburg