Ich glaube, dass das Gebet größer und tiefer wirkt, als wir denken. Es lässt uns auch inne halten. Dabei stelle ich mir die Frage, was die Bilder aus den Kriegsgebieten über uns sagen könnten? Wir lernen von Kindesbeinen an, dass es im Leben um siegen und verlieren geht. Wir haben das Leben und Wirken von Menschen gelernt, die mit Gewalt ihre Größen- und Machtphantasien umgesetzt haben, wie z.B. Napoleon oder Hitler. Oder kennen Sie das Leben und Wirken von Friedrich, Otto oder Ludwig dem Friedlichen oder Antoinette, Katharina oder Elisabeth der Friedliebenden? Wissen Sie ob es sie gab, und wie sie den Frieden bewahrt haben? Ich bin da überfragt. So haben wir gelernt, dass es im Leben darum geht sich durchzusetzen, zu gewinnen und mächtig zu werden –wenn nötig auch mit (subtiler) Gewalt und auf Kosten anderer. Wer will schon ein Weichei oder Warmduscher sein? Die entfesselte Gewalt in den Kriegsländern ist wie ein Spiegel unserer Überzeugungen und Handlungen.
Die große Mehrheit der Menschen wünscht sich ein Leben in Frieden und ohne Gewalt. Das scheint nur schwer umsetzbar zu sein. Alle Religionen bergen in ihrer Tradition auch den Schatz, ein Leben in Nächstenliebe, Gewaltlosigkeit und Feindesliebe gestalten zu können. Sie können Wege lehren, wie durch das Gebet die Versöhnung im eigenen Herzen und der friedfertige Umgang mit anderen gelingen kann. Die Gewaltlosigkeit beginnt also bei uns und dem lebenslangen Prozess unser Herz zu befrieden. Dann sind Konfliktlösungen bei denen alle gewinnen in der Familie, am Arbeitsplatz und letztendlich auch zwischen Ländern möglich. Der Friede beginnt bei jedem und jeder einzelnen von uns – indem wir neue Schritte und Wege wagen.
Alles nur eine schöne Utopie? Louise Michel, eine französische Schriftstellerin, hat im 19. Jahrhundert geschrieben: „Wissen wir denn, ob das, was uns heute utopisch erscheint, in der nächsten, übernächsten Epoche nicht schon Realität sein kann?"
Beten wir miteinander und mit den Menschen anderer Religionen, dass wir unsere Herzen befrieden können und so zu Frieden mit anderen Menschen fähig werden.
Christiane Knobling, Leiterin der Ökumenischen Telefonseelsorge Untermain, Aschaffenburg