Für seine bildliche Darstellung in der Kunstgeschichte waren allerdings nicht nur die biblischen Texte ausschlaggebend, als vielmehr dessen Schilderung in der sog. „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine (1228-1298). Jacobus war Ordensprovinzial der Dominikaner und später Erzbischof von Genua. Bei der Legenda aurea, die nach wie vor höchst lesenswert ist, gilt es zu wissen, dass sie kein Märchenbuch war, sondern damals auf wissenschaftlicher Forschung und intensivem Quellenstudium beruhte.
Eine der legendarischen Episoden zu Johannes führt uns nach Ephesus: „Als der heilige Johannes in ganz Asien gepredigt hatte, hetzten die Götzenanbeter das Volk auf, schleppten Johannes zum Tempel der Diana (von Ephesus) und drängten ihn dazu zu opfern. Darauf schlug ihnen Johannes folgende Wette vor: Entweder zerstörten sie mit der Anrufung Dianas die Kirche Christi, und er opfere den Götzen, oder er zerstöre mit der Anrufung Christi den Tempel Dianas, und sie glaubten an Christus. Diesem Vorschlag stimmte der größte Teil des Volkes zu, alle verließen den Tempel, der Apostel betete, der Tempel stürtze bis auf den Grund ein und das Bildnis der Diana wurde völlig zertrümmert.“
Doch Aristodemus, der Oberpriester, forderte von Johannes noch ein weiteres Zeichen: Er solle einen Giftbecher trinken! Gemäß der Zusage Jesu - „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden.“ (Mk 16, 17b.18) - bestand Johannes auch diese Probe und führte so die Umstehenden zum Glauben.
Die schaurige Geschichte vom Giftbecher lebt heute noch in der Liturgie seines Festtages weiter. Im Benediktionale, dem Segensbuch der Kirche, steht: „Bei der Umformung vorchristlicher Volksbräuche hat die Kirche heidnischen Trankopfern einen neuen Inhalt gegeben. Man hat zu Ehren mancher Heiliger Wein gesegnet und den Gläubigen als Minnetrank (Minne = Liebe) gereicht.“
Der am 27. Dezember gesegnete Johanniswein möchte uns den Glauben und die Liebe des Apostels zu Jesus schmecken lassen. Ihn verkündet uns Johannes an Weihnachten: „Das Wort ist Fleisch geworden!“ (Joh 1, 14)
Dekan Martin Heim, Aschaffenburg