Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Im Schutz der Engel

Ein Höhepunkt für jeden Libanontouristen ist der Besuch der Tempelanlage von Baalbeck, die zu den Wunderwerken der antiken Welt zählt. Fasziniert stand ich vor dem mächtigen Jupitertempel mit seinen sechs verbliebenen dreizehn Meter hohen Säulen, die auf einer Anhöhe das Ausgrabungsfeld dominierten. Um sie mit der Kamera in einem weiten Aufnahmewinkel aufnehmen zu können, trat ich Schritt für Schritt zurück.

Plötzlich verlor ich den Boden unter den Füßen und ich stürzte. Zwanzig Meter unter mir die Kalksteinplatten einer antiken Straße. Ich hörte noch den Aufschrei der Umstehenden. Doch dann – welch Wunder! – blieb ich an einem hervorragenden Kragsteine hängen. Bein Sturz war mir, als drücke mich eine Hand gegen die Tempelmauer. Mit aufgeschundener Haut hangelte ich mich die Steine wieder hoch und hatte nur den einen Gedanken: Es war dein Schutzengel, der dich gerettet hat.

Wer sind sie, die Engel, die am 29.September beim „Engelfest“ der katholischen Kirche gefeiert werden? Bei Papst Gregor dem Großen findet sich das Wort: „Engel werden dann Engel genannt, wenn durch sie eine Botschaft ergeht. Michael heißt: „Wer ist wie Gott?“, Gabriel: „Kraft Gottes“, Rafael: „Arznei Gottes“. Von ihrer Aufgabe her erhalten sie ihren Namen.“

Die Botschaft, die mir der Schutzengel in Baalbeck wohl vermitteln wollte, war: „Du sollst leben!“ Damit spannt sich ein weiter Bogen, der uns die Präsenz der Engel von der Erschaffung der Welt bis zu ihrem Ende zeigt. Alle Religionen spannen im Übrigen diesen Bogen und rücken die Engel in vielfältigem künstlerischem Ausdruck gerade an die Nahtstellen menschlichen Lebens, in denen sich Gott uns mitteilen möchte.

Mein Engel von Baalbeck war kein pastellfarbenes milchgesichtiges Wesen mit sanft wehenden Flügeln, wie ihn die Esoterikszene vielfach nachempfindet. Es war ein „schrecklicher Engel“, wie ihn etwa Rilke in den Duineser Elegien beschreibt:

„Jeder Engel ist schrecklich: Und dennoch, weh mir,

ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele.

wissend um euch.“

Schrecklich ist der Engel für Rilke deshalb, weil er uns die Hoffnung auf das Glück im Sichtbar – Oberflächlichen nimmt und zunächst auf reinste Innerlichkeit verweist. Er ist Bote der Innenseite der Schöpfung, deren Aufgabe die Botschaft von der Nähe Gottes und der Verwandlung einer von Veräußerlichtung bedrohten Welt ist.

Vermittler solcher Engelsbotschaften können auch wir sein, wenn wir uns nicht scheuen, wie Michael die provozierende Frage zu stellen: „Wer ist wie Gott?“, wenn durch uns wie bei Gabriel eine frohe Botschaft ergeht und wenn wir wie Raffael Arznei für unsere Mitmenschen sind.

 

Peter Spielmann

Pastoraler Mitarbeiter in Obernau