Mittlerweile hat es sich herumgesprochen: das zentrale Gebot des christlichen Glaubens ist das Liebesgebot. Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.
Schon das Wort Selbst-losigkeit lädt dazu ein. Was ist denn selbstloses Handeln anders, als dass ich mein Selbst los lasse, mich zurück stelle, um für einen anderen da zu sein. Aber: Selbstlosigkeit braucht das Selbst, um loslassen zu können.
Was ist nun das Selbst und was sein Gegenüber? Das Selbst darf nicht mit dem Ich verwechselt werden. Das Ich ist zu oft in das „Kleinklein" meines Alltags verwoben und handelt kurzsichtig. Ein Beispiel: Wenn ich mich ärgere hilft mir die Unterscheidung: Ich habe Ärger, aber ich bin nicht der Ärger. Ähnlich ist es mit meinen Sorgen oder Neid. Ich habe Sorgen und ich bin manchmal neidisch, aber ich gehe darin nicht auf. Es gibt eine tiefere Dimension in mir. Zu dieser Dimension hat mein Ärger, Sorge und Neid keinen Zugang. Diese Dimension berührt das Selbst. Mit diesem Selbst bin ich auch nie fertig. Dazu bin ich immer auf dem Weg. Ehrlich gesagt empfinde ich diesen Weg als ziemlich anspruchsvoll. Mein Ich verführt mich recht schnell... Dennoch versuche ich diesem Anspruch treu zu bleiben, weil ich im Lauf der Jahre merke, dass da wirklich etwas dran ist. Es ist nicht nur Theorie. Dieses Selbst führt mich – wenn ich ihm vertraue – immer wieder aus meinen Ich-Spielchen heraus. Immer wenn ich diese Selbst - Erfahrungen mache, entdecke ich: Es sind Beziehungserfahrungen, zwischen mir und meinem Ich, meiner Frau, meinen Kindern. Aber auch in der Arbeit mit Kollegen oder Studierenden und in der Natur. Diese Beziehungserfahrungen lassen mich – manchmal - mitten im Alltag eine Tiefe erfahren, die mich berührt und bewegt. Dann merke ich: Im Du und Ich ist mehr. Egal welcher Religion oder Weltanschauung wir angehören.
Diese tiefere Dimension lässt mich etwas von dem Geheimnis des Lebens erahnen. Wir Christen umschreiben dieses Geheimnis mit dem Begriff „Gott". Wissend: Gott ist immer größer, für uns Menschen nicht fassbar. Jesus zeigt uns im Liebesgebot, wie wir dem Geheimnis auf die Spur kommen können. In einem einfachen, aber tiefsinnigen Kanon heißt es:
Im Du und Ich ist mehr. Im Wir ist immer Er. Im Miteinander tut sich Gott uns kund.
Dieser Sommer ist eine Einladung hinaus zu gehen. Das bietet gute Möglichkeiten mehr „Miteinander" zu erleben, Begegnungen zu suchen.
Dr. Peter Müller
Stellv. Fachakademiedirektor