Die Eltern hoffen, dass die beiden von sich aus zu einer Lösung kommen oder bemühen sich, einen Kompromiss zu finden: „Es gibt ja auch noch ein Förmchen, mit dem Du in der Zwischenzeit spielen kannst, er nimmt den Eimer ja nicht mit.“ Nichts zu machen. Das Teilen scheint dem Menschen nicht gerade in die Wiege gelegt zu sein.
„Gutes zu tun und mit anderen zu teilen vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott“ steht in der Bibel für das morgige Erntedankfest.
Interessanterweise ist das Teilen zu einer richtigen Trendbewegung geworden, so dass man mittlerweile sogar von einer „Ökonomie des Teilens“, einer „Sharing Economy“ spricht. Viele Menschen haben genug vom Konsum und sehen im Eigentum von Dingen immer weniger Sinn. Am bekanntesten ist wahrscheinlich das „Car-Sharing“, das Teilen eines Autos. In Städten, in denen Wohnraum immer teurer wird, bilden Menschen Wohngemeinschaften. Internet und Smartphone machen es möglich, dass sich Menschen treffen, die sich sonst nie getroffen hätten: Mein Garten ist mir zu groß – ich überlasse einen Teil, wenn der andere dafür den Rasen mäht. Biete Mitfahrgelegenheit von Aschaffenburg nach Köln für 20 Euro. Tausche ein Zimmer in Berlin zum Übernachten gegen interessante Gesellschaft. Viele sehen in dieser Bewegung einen Hoffnungsschimmer, dass das Teilen wichtiger wird als das Besitzen und das Gebrauchen wichtiger als das Haben. Teilen ist schlicht vernünftig, denn es erwächst für beide ein Nutzen.
Was aber lässt den Menschen teilen, wenn er keinen Nutzen daraus zieht? Was lässt ihn großzügig sein, einfach etwas hergeben, auch wenn er keine Gegenleistung dafür erhält?
Ich glaube, Menschen können großzügig sein, wenn sie sich in ihrem Leben selbst als Beschenkte verstehen. Das was ich bin, so wie ich bin, mit meinen Gaben und Begabungen, das bin ich nicht aus mir selbst. Das wirklich Wichtige in meinem Leben ist letztlich Geschenk. Für Glaubende ist es ein Geschenk Gottes.
Das morgige Erntedankfest weitet meinen Blick und mein Herz dafür, womit ich in meinem Leben täglich im Großen und im Kleinen beschenkt bin, und was ich im Alltag oft gar nicht wahrnehme. Menschen, die sich als Beschenkte erleben, können kaum anders, als großzügig zu sein und mit anderen zu teilen.
Felix Breitling, ev. Pfarrer in Hasloch/Main