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Eigene Gefühle zulassen

In letzter Zeit verfolgt er mich – der Tod. Ständig sitzt er mir im Nacken. Sei es an der Unfallstelle, wenn grade der verunglückte Motorradfahrer weggetragen wird. Im Seniorenheim, wenn die leidende Frau seufzt: “Ach, hätt' ich es doch schon geschafft.“ Oder auf der Intensivstation, wenn mir der kalte Schauer über den Rücken rinnt bei der bangen Frage, ob meine Schwester wieder aus dem Koma erwacht.

Zugegebenermaßen, an die Hunderte von Toten, die tagtäglich in den Nachrichten vermeldet werden, habe ich mich irgendwie gewöhnt. Sie machen mich zwar fassungslos, doch lasse ich sie nicht so an mich heran.
Der Tod mit seinen vielfältigen Fratzen macht uns Angst. Und doch: Der Tod gehört zum Leben. Ich denke, es ist an der Zeit, ihn auch wieder ins Leben zu integrieren. Wo bleibt eine Trauerkultur, die es uns ermöglicht, richtig Abschied zu nehmen? Glücklicherweise bahnt sich da langsam ein Wandel an. Gut, dass es Beerdigungsinstitute gibt. Doch können sie uns nicht einen eigenen würdevollen Umgang mit dem gestorbenen Menschen abnehmen. Es ist hilfreich, sich Zeit zu nehmen, die eigenen Gefühle erst einmal zuzulassen. Nur durch sie hindurch kann sich eine Heilung des Schmerzes anbahnen.
Wenn ich die Trauer, Verzweiflung oder Hilflosigkeit zur Seite schiebe, holen sie mich irgendwann wieder ein. Umsichtigerweise gibt es inzwischen ansprechend gestaltete Räume in Krankenhäusern, Hospizstationen und Friedhöfen, in denen es möglich ist, mit dem Verstorbenen noch einmal in Ruhe Zeit zu verbringen. Nehmen Sie sich die Zeit, auch wenn er oder sie zu Hause verstirbt. Und dann?
Sie haben viele Möglichkeiten, die Trauerfeier selbst mitzugestalten. Nutzen Sie sie. Was wäre im Sinne der verstorbenen Person und was tut mir und der Familie gut in solch schwerer Stunde?
Mit der Auferstehungshoffnung brauche ich nicht zu kommen, wenn der jungen Frau mitgeteilt werden muss, dass ihr Partner tödlich verunglückte. Und doch, zwischen all den Tränen der Verzweiflung und Sprachlosigkeit winkt sie freundlich hindurch. Ja, es ist schwer, einen Tod zu verkraften.
Dennoch: Das Leben geht weiter, auch jenseits der Todesgrenze. Dies zumindest kann uns als Christen den Schrecken nehmen. Schließlich hat es uns unser Namensgeber vorgemacht. Christus ist durch den Tod zu neuem Leben erweckt worden und ruft uns zu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Alle, die an mich glauben, werden leben, auch wenn sie sterben."
Nur fromme Vertröstung? Ich bin davon überzeugt, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod dem Leben vor dem Tod eine hoffnungsfrohe Grundhaltung gibt, die es mir ermöglicht, mich schon hier und heute für mehr Lebensqualität einzusetzen.
Meine Schwester ist mittlerweile wieder aus dem Koma erwacht. Bei derWitwe blieb mir nicht anderes übrig, als ihren Schmerz auszuhalten und sie in den Arm zu nehmen. Gemeinsames Schweigen, Tränen, ein Wort der Ermutigung und tatkräftige Unterstützung können dazu verhelfen, wieder ins Leben hinein zu finden und Auferstehung zu spüren.

Andrea Marquardt, evangelische Religions- und Gemeindepädagogin in Aschaffenburg