Diejenigen aber, die sich fragen, wieso wir uns so etwas alle Jahre wieder freiwillig antun, finden hier vielleicht ein paar Anregungen.
Erstens: Ein Christbaum zwingt uns geradezu, einander zu helfen. Nur wenige Profis schaffen es, einen Weihnachtbaum alleine auszuwählen, zu transportieren, aufzustellen und zu schmücken.
Zweitens: Ihn einigermaßen sicher aufzustellen kostet einiges an Mühe und Geduld. Bis er endlich fest steht, aufrecht und eingespannt zwischen Himmel und Erde und die Äste einladend ausgestreckt! Wahrscheinlich ist es mit unserem Glauben auch so.
Drittens: Der Christbaum weist, wenn er denn gerade steht, mit seiner Spitze nach oben und zeigt, dass wir uns vom Himmel mehr erwarten dürfen als das, was unterm Baum liegen wird.
Viertens: Wer sich ärgert, dass die Lichterkette wieder mal nicht funktioniert, kann die Zeit, die er braucht, um das Ersatzbirnchen zu finden, für eine Kurzmeditation über 1.Korinther 12,26 nutzen.
Fünftens: Der Baum bringt uns dazu, uns mit den Vorstellungen unserer Familienangehörigen intensiv auseinanderzusetzen. Eine Stunde gemeinsames Christbaum-Schmücken kann etliche Seminare über „Streitkultur bei demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen" ersetzen.
Sechstens: Der Baum lässt uns zusammenrücken. Bei einer durchschnittlichen Wohnzimmergröße von 20 qm erklärt sich das von selbst.
Siebtens: Der Christbaum streckt uns stellvertretend für seinen Kollegen im Paradiesgarten goldene Kugeln entgegen und warnt, verbotene Früchte lieber nicht zu pflücken.
Achtens: Im hellen Lichterglanz des Weihnachtsbaums leuchtet es sofort ein, was Jesus damit meint, dass wir das Licht der Welt sein sollen. Gemeinsam bringen Christen einfach mehr Lumen zustande!
Neuntens: Der Baum veranlasst uns, regelmäßig auf die Knie zu gehen und wie ein Kind unter die Zweige zu krabbeln, um das Wasser im Ständer nachzufüllen. Wer will, kann daraus eine Gymnastikübung oder eine besondere Form der Tauferinnerung machen. Wer sich immer wieder hinbewegt zum Wasser des Lebens, nadelt vielleicht nicht so schnell...
Und zuletzt: Spätestens am 2. Februar sind wir ihn wieder los. Seine Abwesenheit schenkt uns dann wieder dieses wunderbare Gefühl von Befreiung und Weite. Ohne ihn würden wir nicht jedes Jahr aufs Neue so eindrücklich spüren, wie viel Lebensraum wir eigentlich haben. So viele neue ungeahnte Möglichkeiten der Freiheit!
Überzeugt? Wer jetzt noch keinen hat, sollte sofort losfahren...am besten mit Helfern und Schnüren!
Heike Kellermann-Rupp, Evangelische Pfarrerin in Kleinostheim